Digitaler_Staat_Newsletter
Der digitale Staat ermöglicht neue Dienstleistungen, wie z. B. den Online-Antrag fürs Kindergeld zeljkosantrac/ iStock

Digitaler Staat

Dänemark ist die führende Nation weltweit – so besagt es zumindest der E-Government Development Index der Vereinten Nationen. Gemessen am Angebot von Online-Diensten, der Verfügbarkeit des Telekommunikationsnetzes und der Fähigkeit der Menschen zur Nutzung von E-Services, nimmt unser nördlicher Nachbar den Spitzenplatz unter den 193 Mitgliedsstaaten der UN ein. Deutschland belegt in diesem Jahr den 25. Platz, nachdem sich es sich schon 2018 schon einmal auf Platz 12 befand. Wie steht es also um den digitalen Staat in Deutschland?

Um diese Frage zu beantworten, ist ein Blick in unsere virtuellen und realen Briefkästen hilfreich. Während unser E-Mail-Postfach mit Werbung, Handyrechnungen oder einer Bestätigung vom letzten Online-Einkauf gefüllt ist, finden wir im Briefkasten an der Haustür oft nur die Tageszeitung, Strafzettel vom Polizeipräsidenten, den Kindergeldbescheid oder Post von der Rentenversicherung. An diesen Beispielen lässt sich ablesen, warum 2019 nur knapp die Hälfte der Bevölkerung (48 Prozent) Behörden und Verwaltungen digital kontaktiert haben. Doch warum ist das so? Schließlich wurden große Infrastrukturprojekte wie De-Mail oder der elektronische Personalausweis umgesetzt.

Es stellt sich die Frage, was zuerst vorhanden sein muss, damit digitale Verwaltung funktioniert: Ein attraktives E-Government-Angebot des Staates oder die Fähigkeit des Bürgers, es auch zu nutzen?

Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, vor welchen Herausforderungen die digitale Verwaltung steht. Plötzlich kam es darauf an, dass Unternehmen unbürokratisch Kredite bekamen oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Ausgleichszahlungen erhielten. Dass dabei Digitalisierung helfen kann, scheint klar zu sein: Berechtigte können jederzeit und von überall über das Internet Anträge bei Behörden stellen und gehen dabei kein Infektionsrisiko ein, Bearbeitungsschritte lassen sich automatisieren und laufen damit zumeist effizienter ab und auch die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung können aus dem Homeoffice heraus Anliegen prüfen.

Fraunhofer FOKUS unterstützt die Digitalisierung des öffentlichen Raumes mit dem Geschäftsbereich Digital Public Services und seinem Kompetenzzentrum Öffentliche Informationstechnologie (ÖFIT). Der Geschäftsbereich arbeitet mit Politik, Verwaltung und Wirtschaft an der strategischen Umsetzung von interoperablen und sicheren Lösungen für Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im öffentlichen Raum und in der öffentlichen Verwaltung.

Open Data

Für solche IKT-Lösungen im öffentlichen Raum werden »Open Data« – also offene Verwaltungsdaten – immer wichtiger. Bereits 2009 schrieb der damalige US-Präsident Barack Obama in einem Memorandum seinen Behörden vor, Verwaltungsdaten in maschinenlesbaren Formaten für jedermann zur Verfügung zu stellen. Heute wird dieser Impuls von vielen Ländern aufgegriffen. Auch in Deutschland öffnet die Verwaltung sukzessive ihre Datenbestände und stellt sie für neue Anwendungen zur Verfügung. Mit Open-Data-Portalen auf allen föderalen Ebenen werden Verwaltungsdaten der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt.

Als einer der Pioniere von Open Data und Open Government hat Fraunhofer FOKUS den öffentlichen Sektor bereits in etlichen Projekten dabei unterstützt, Transparenz und Wirtschaftlichkeit auf Basis offener Daten zu verbessern sowie Partizipation und Kollaboration zu fördern. Das gilt unter anderem für den Aufbau des European Data Portal und der Open-Data-Strategie des Landes Nordrhein-Westfalen. Zudem haben wir einen Leitfaden für qualitativ hochwertige Daten und Metadaten entwickelt.

Digitale Souveränität

Wenn wir uns heute im virtuellen Raum – dem Internet – bewegen, nutzen wir eine Reihe von Identitäten, mit denen wir Spuren hinterlassen. Egal, ob wir übers Internet mit Freunden am anderen Ende der Welt kommunizieren, unser Smartphone den aktuellen Standort erfasst, oder wir in einem Onlineshop einkaufen, jedes Mal sammeln Geräte Daten und speichern sie. Die Summe dieser einzelnen digitalen Fußabdrücke ergibt am Ende eine digitale Identität, die es Unternehmen ermöglicht, personalisierte Dienstleistungen zu entwickeln.

Unsere digitale Identität dient aber nicht nur dazu, unseren Wert als Konsumenten einzuschätzen, sie kann auch als Nachweis dafür dienen, dass wir der sind, für den wir uns ausgeben. So ein Nachweis kann z. B. in Form eines Passworts, Zertifikats, Fingerabdrucks oder durch Gesichtserkennung erbracht werden. In diesem Fall geben wir unsere digitale Identität preis, um Zugang zu etwas zu erlangen. Wir möchten also identifiziert werden, um uns   z. B. beim Onlinebanking anzumelden oder einen Mobilfunkvertrag über das Internet abzuschließen. Trotz immer wieder auftretender Missbrauchsfälle können wir uns mit unserer digitalen Identität viel präziser identifizieren, als beispielsweise durch unser Gesicht oder unsere Stimme im realen Leben. Wie man dabei die eigenen Daten schützen kann, haben wir in einfachen Bildern erklärt.

Den Überblick und die Hoheit über die eigenen digitalen Daten zu behalten, ist nicht nur für jede/n Einzelne/n wichtig, sondern auch für den Staat und die öffentliche Verwaltung. Im Whitepaper »Digitale Souveränität als strategische Autonomie« zeigt unser Kompetenzzentrum Öffentliche IT Wege auf, wie der Staat mit digitalen Abhängigkeiten umgehen und die eigene Autonomie erhöhen kann.

Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Damit die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung funktioniert, sind neben passenden Hardware- und Software-Lösungen, sicheren und maßgeschneiderten Tools und einem nutzerfreundlichen Zugang maßgeblich gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nötig. Mit dem Projekt Qualifica Digitalis sollen Handlungsempfehlungen für die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die digitale Verwaltungsarbeit entwickelt werden. Das zweieinhalbjährige Projekt sieht vor, Kompetenzanforderungen und Qualifizierungsentwicklungen zu analysieren, strategische Schlussfolgerungen für den Qualifizierungsprozess zu erarbeiten und schließlich konkrete Handlungsempfehlungen bereitzustellen. Im Juni 2020 fand dazu ein erster Fachworkshop statt, auf dem vorläufige Ergebnisse einer Metastudie vorgestellt wurden. Die Studie wird in diesem Sommer veröffentlicht und bildet die Grundlage für die daran anschließende standardisierte Befragung von Fach- und Führungskräften in sechs ausgewählten Domänen zu den Kompetenzbedarfen im Kontext der digitalen Transformation.

Künstliche Intelligenz (KI)

Auch die künstliche Intelligenz spielt im digital vernetzten Staat der Zukunft eine Rolle. Als Querschnittstechnologie hat KI das Potenzial, alle anderen digitalpolitischen Themen zu beeinflussen. Wie KI jedoch die öffentliche Verwaltung, Staat und Gesellschaft verändert, hängt von zahlreichen Einflussfaktoren ab. ÖFIT hat diese in mehreren Publikationen untersucht:


Fraunhofer FOKUS und das Fraunhofer IDMT haben zudem gemeinsam einen auf KI basierenden »Sprachassistenten für Bürgerdienste« entwickelt. Die Anwendung soll künftig Bürgerinnen und Bürgern bei Anträgen für Verwaltungsdienstleistungen, z. B. beim Elterngeldantrag, durch einfache und intelligente Kommunikation in natürlicher Sprache unterstützen.

Podcast zur öffentlichen Informationstechnologie

Das Kompetenzzentrum Öffentliche Informationstechnologie (ÖFIT) macht die in Publikationen und Vorträgen ausgearbeiteten Forschungsergebnisse nun auch per Podcast einem breiteren Publikum zugänglich. Die Hörer erhalten so einen Blick hinter die Kulissen und erfahren in offenen Gesprächen von FOKUS Expertinnen und Experten mehr über ihre Forschung und Arbeitsweise. ÖFIT verfolgt damit das Ziel, mit wissenschaftlich fundierten Ideen Denkräume für die Gestaltung des digitalen Wandels von Staat und Gesellschaft zu eröffnen. Dabei wird interdisziplinär gearbeitet: Berücksichtigt werden technische, gesellschaftliche, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte und Einflussfaktoren. Die Vision ist ein gestaltungsfähiger Staat für die demokratische Gesellschaft im digitalen Zeitalter.


Weiterführende Links: