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Matthias Heyde/ Fraunhofer FOKUS

Das Rundumfernsehen

»Mitten drin statt nur dabei« – der alte Werbespruch des Deutschen Sportfernsehens hat während der FIFA Fußball-WM in Russland eine ganz neue Bedeutung bekommen: Mithilfe einer neuen Technologie von Fraunhofer FOKUS konnten die Zuschauer beim griechischen Fernsehsender ERT die Spiele per 360-Grad-Video verfolgen.

Die Anspannung ist fast physisch spürbar, während sich die Fußballer und Betreuer vor dem Finale Frankreich gegen Kroatien in den Katakomben des Luschniki-Stadions in Moskau sammeln. Vielen Spielern ist die Konzentration auf die kommenden 90 Minuten im Gesicht abzulesen. Aufgeregte Balljungen, Schiedsrichter, Trainer und Betreuer wuseln durcheinander.

Bisher saß der Fernsehzuschauer eher entspannt auf seinem Sofa im eigenen Wohnzimmer und erlebte die Atmosphäre aus der Entfernung. Anders dürfte es während der FIFA-WM in Russland für die Zuschauer des griechischen Fernsehsenders ERT gewesen sein. Sie konnten erstmals die Spiele per 360-Grad-Video verfolgen und so ihre Stars hautnah erleben. Über die Mediathek des Senders standen neben den regulären Übertragungen der Spiele auch Zusatzvideos zur Verfügung. Sie zeigten die Mannschaften zum Beispiel vor dem Einlaufen ins Stadion – und das sogar in einer 360-Grad-Rundumsicht. Per Fernbedienung konnten die Zuschauer die Kameraperspektive verändern und ihr Blickfeld ganz nach Belieben variieren. So entstand der Eindruck, als würden sie tatsächlich zwischen Sportlern, Schiedsrichtern und Betreuern stehen. Doch wie ist das möglich?


Zur Verfügung gestellt wurden die 360-Grad-Videos von der FIFA. Aufgenommen mit speziellen Kameras lassen sie sich über YouTube oder verschiedene Apps abspielen. Am Fernseher konnte man sie bisher nicht erleben, da die Größe der Filme eine viel zu hohe Bitrate für die Übertragung erfordert. Mithilfe der Cloud-basierten »360° Video Playout« Technologie von Fraunhofer FOKUS ist dies jetzt möglich. 360° Videos können damit auf nahezu jedem Gerät abgespielt werden – vom Fernseher über das Handy bis hin zum iPad.

Die Lösung von Fraunhofer FOKUS reduziert den Bandbreitenbedarf für die Übertragung um rund 85 Prozent im Vergleich zu anderen Video Playout-Lösungen bei gleichbleibender Bildqualität. Dafür wird in der Cloud die vom Nutzer gewählte Ansicht gerendert, d. h. die entsprechenden Bild- und Tondaten zu einem normalen hochauflösenden Fernsehbild zusammengefügt. Nur diese ausgewählte Version wird dann auf das Wiedergabegerät gestreamt, wodurch sich die Bitrate entsprechend reduziert. So lassen sich die 360°-Filme, die von der FIFA mit einer Bitrate von 16 MB/s zur Verfügung gestellt werden, für die 360°-Videowiedergabe auf 2 MB/s reduzieren. Dabei bleibt die Qualität gleich. Mit der Cloud-basierten Lösung lassen sich 360°-Videos auf TV-Bildschirmen sowie auf anderen Geräten mit geringer Leistung und Internetgeschwindigkeit erleben.

Neben 360°-Video-Technologien für den heimischen Fernseher arbeitet Fraunhofer FOKUS auch an 360°-Projektionstechnologien. Diese werden z. B. in Planetarien oder Simulatoren eingesetzt. Zuletzt eröffnete ein Fahrsimulator an der RWTH Aachen, in dem die FOKUS Technologie genutzt wird. Für die 360°-Projektion im Simulator werden acht Projektoren eingesetzt, deren Bilder durch Warping (Geometriekorrektur), Blending (Helligkeitskorrektur) und Projektor-Autoalignment (automatische Ausrichtung) so aneinander angepasst werden, dass sie sich ohne sichtbaren Übergang aneinanderfügen und ein nahtloses Bild entsteht. Dafür wurde eine spezielle Projektions-Software entwickelt, die dafür sorgt, dass es zu keinen Verzerrungen in den projizierten Bildern kommt. Die Software kann darüber hinaus für 360°-Kinos oder virtuelle Umgebungen in der medizinischen Ausbildung genutzt werden.


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