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Standardisierung im FOKUS

Auf dem Berliner Wochenmarkt in Charlottenburg herrscht dichtes Gedränge – Menschen schlendern durch die engen Gassen zwischen den Markständen mit Obst und Gemüse, Honig, Kleidung und vielen anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Hier werden zwei Kilogramm Kartoffeln gekauft, dort fünfhundert Gramm Tomaten und Möhren. Die Verkäufer nutzen ganz unterschiedliche Waagen, um die Mengen zu bestimmen und den Preis zu berechnen. An einigen Ständen kommen sogar noch Eisengewichte und eine Balkenwaage zum Einsatz. Damit sich die Kunden darauf verlassen können, dass sie wirklich zwei Kilogramm Kartoffeln erstanden haben, müssen die Waagen entsprechend geeicht sein. Denn ein Kilogramm soll schließlich wirklich ein Kilogramm wiegen.

Verantwortlich für den Eichungsprozess sind die großen nationalen Eichämter, wie z. B. die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig (PTB). Sie besitzen eine Kopie des sogenannten Urkilogramms – einem faustgroßen Klotz aus einer Platin-Iridium-Legierung, der in Sèvres bei Paris aufbewahrt wird. Diese Kopie wird alle drei bis fünf Jahre mit dem Original verglichen. Auch wenn sich dieses System der Standardisierung von Maßeinheiten gerade geändert hat – seit Mai 2019 wird ein Kilogramm mit Hilfe einer bestimmten Anzahl von Silizium-Atomen oder der Planck-Konstante h, der kleinsten im Universum übertragbaren Energieeinheit, festgelegt – zeigt dieses Beispiel, wie Standardisierung unser Leben vereinfachen kann:

Das Urmeter und das Urkilogramm ersetzten beispielsweise nach 1789 in Frankreich die rund 800 Bezeichnungen für Maßeinheiten. Darunter z. B. das Livre (Pfund), die Aune (Elle) und Pinte (Schoppen). Diese variierten von Gemeinde zu Gemeinde und von Handwerk zu Handwerk. In Paris enthielt z. B. ein Schoppen Bier ein Drittel weniger Flüssigkeit als in Saint-Denis. Als Längenmaß dienten drei unterschiedliche Ellen für drei verschiedene Stoffarten. Der Bäcker nutzte ein anderes Pfund als der Schmied, sodass ein Pfund Brot weniger wog als ein Pfund Nägel. Auf diese Weise entstand ein heilloses Durcheinander und Betrug war an der Tagesordnung. Nach der Französischen Revolution beauftragte die Nationalversammlung die Akademie der Wissenschaften damit, ein einheitliches Maßsystem zu entwickeln. Daraus entstanden schließlich das Urmeter und Urkilogramm.

Standardisierung bei Fraunhofer FOKUS

Auch aus anderen Bereichen unseres Alltags ist die Standardisierung nicht mehr wegzudenken. Insbesondere bei den Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien) hat die Bedeutung von Standardisierungsbemühungen in den vergangenen Jahren zugenommen. Die immer stärkere Vernetzung von IuK-Technologien über ihre Systemgrenzen hinaus, wie z. B. bei Industrie 4.0 oder beim autonomen Fahren, führt dazu, dass etablierte Standards erweitert oder neue definiert werden müssen. Fraunhofer FOKUS ist in einer Reihe von Standardisierungsgremien vertreten und bietet seinen Kunden die Möglichkeit, Standards aktiv mitzugestalten.

So ist beispielsweise im Bereich der IuK-Technologien das European Telecommunications Standards Institute (ETSI) eine der drei großen Normungsorganisationen in Europa. ETSI ist eine gemeinnützige Organisation und von der Europäischen Union als Organisation für Normung anerkannt. Fraunhofer FOKUS ist Mitglied beim ETSI und hat zuletzt z. B. an Standards für die Maschine-zu-Maschine (M2M) Kommunikation im Internet der Dinge mitgearbeitet.

Standards für den Automobilbereich

Im Automobilbereich haben sich Hersteller, Zulieferer und Tool-Entwickler bereits vor etwa 15 Jahren zusammengeschlossen, um eine Automobil-Software-Architektur zu entwickeln. Das Ergebnis dieses Bestrebens ist AUTOSAR (AUTomotive Open System ARchitecture). Ziel ist es, die Software-Architektur von elektronischen Steuergeräten zu standardisieren. AUTOSAR ermöglicht eine gemeinsame Entwicklungsmethodik auf der Grundlage eines standardisierten Austauschformats. Somit kann Software, die auf der Grundlage der AUTOSAR Layered Software Architecture zur Verfügung gestellt wurde, in Fahrzeugen unterschiedlicher Hersteller eingesetzt und Elektronikkomponenten unterschiedlicher Anbieter markenübergreifend verbaut werden. Fraunhofer FOKUS und der Geschäftsbereich Quality Engineering (SQC) sind Premium-Partner von AUTOSAR und arbeiten so als Core- und Entwicklungspartner an der Definition des Standards mit.

Standards für die Mediennutzung

Videos werden heute auf fast jedem Gerät konsumiert – vom Fernseher über das Handy bis hin zum Tablet. Damit dies reibungslos funktioniert, sind Standards für die Übertragung von Videos nötig. So ist Fraunhofer FOKUS beispielsweise Mitglied im DASH Industry Forum (DASH.IF). DASH.IF erstellt Richtlinien für die Interoperabilität bei der Verwendung des ISO-Standards MPEG-DASH (Dynamic Adaptive Streaming over HTTP) und fördert dessen Einführung.

Damit im Fernsehgerät klassische Angebote, die über einen Decoder für digitales Fernsehen übertragen werden mit Angeboten aus dem Internet kombiniert werden können, ist der HbbTV (Hybrid Broadcast Broadband TV) Standard entwickelt worden. Die HbbTV-Spezifikation basiert auf bestehenden Standards und Webtechnologien und ermöglicht die Bereitstellung von interaktiven Applikationen, wie z. B. Video-on-Demand oder interaktives Fernsehen.

Fraunhofer FOKUS ist darüber hinaus auch aktives Mitglied im World Wide Web Consortium (W3C) und entwickelt dort interoperable Technologien (Spezifikationen, Richtlinien, Software und Tools) um das Internet optimal zu nutzen. W3C folgt dabei den Grundsätzen »Web für alle« und »Web für alles« und will damit die Vorteile des Internets allen Menschen zugänglich machen.

Zuletzt konnten sich Interessierte auf dem 8th FOKUS Media Web Symposium über die Standardisierungsaktivitäten von FOKUS informieren. Infos zur Veranstaltung finden Sie hier.

Standards für die Energieversorgung

Die Energiewende führt dazu, dass Windkraft- und Photovoltaikanlagen oder auch Blockheizkraftwerke an unterschiedlichen Orten dafür sorgen, dass Strom gewonnen wird. Eine Möglichkeit, solche Anlagen in das Stromnetz zu integrieren, besteht darin, sie zu sogenannten »virtuellen Kraftwerken« zusammenzuschließen. So können Verbrauch und Erzeugung besser in Einklang gebracht und regenerative Energie aus dezentralen Anlagen besser ins Netz integriert werden. Der offene Industriestandard VHPready unterstützt dabei, dezentrale Energieanlagen zu virtuellen Kraftwerken zusammenzuschließen und über eine zentrale Leitstelle zu steuern. Im Standard VHPready werden die technischen Anforderungen an die Anlagen, Datenkommunikation und – sofern relevant – das System als Ganzes definiert. FOKUS arbeitet an Weiterentwicklung, Prüfmethodik und Zertifizierung von und gemäß VHPready.

DIN Normen

Die bekannteste Normungsorganisation in Deutschland ist das Deutsche Institut für Normung e. V. – kurz DIN. Zuletzt erarbeiteten FOKUS-Wissenschaftler zusammen mit einem Konsortium die DIN SPEC 91367. Im Konsortium waren unter anderem Vertreter aus der Automobilindustrie, dem Mobilfunk, den Kommunen und der Wirtschaft vertreten. Die neue DIN SPEC richtet sich an Mobilitätsanbieter, -dienstleister, Wirtschaftsvertreter und Kommunen und spezifiziert die urbane Mobilitätsdatensammlung für Echtzeitapplikationen. Sie trägt damit zu einer reibungslosen urbanen Mobilität bei und ermöglicht eine sektorübergreifende Datenverarbeitung. Außerdem etabliert die neue DIN SPEC einen Leitfaden mit dessen Hilfe die Städte an der wirtschaftlichen Entwicklung moderner Mobilitätskonzepte beteiligt werden. Wie solche urbanen Datenräume aussehen können, zeigt auch die Fraunhofer FOKUS Studie »Urbane Datenräume – Möglichkeiten von Datenaustausch und Zusammenarbeit im urbanen Raum«.

Standardisierung und Weiterbildung in der FOKUS-Akademie

IT-Sicherheit, Datenschutz, Digitalisierung und das Internet der Dinge – um hier auf dem aktuellen Stand zu bleiben, müssen sich Fach- und Führungskräfte ständig weiterbilden. Die FOKUS-Akademie am Fraunhofer FOKUS bietet eine Reihe von Schulungen an – von der sicheren Softwareentwicklung, über das Security Testing bis hin zur Zertifizierung nach Common Criteria. Darüber hinaus ermöglichen Zertifikats-Schulungen die Ausbildung zum Professional für IoT, Test-Automation Engineer, Chief Digital Officer und Datenschutzexperten. Standardisierung ist wichtig für die Entwicklung und Durchführung dieser Weiterbildungsangebote. Zur strukturierten Schulungsentwicklung gehört die Erstellung eines Lehrplans (Curriculum), in dem der Lernprozess, die Ziele, der Inhalt, die Didaktik und Methodik sowie die Lernergebnisse und der Bewertungsprozess beschrieben und die Schulungsmaterialien entwickelt werden. Dazu wird festgelegt, welcher kognitive Level mit welchem Inhalt erreicht werden soll: Geht es um Wissen, Verstehen oder die Anwendung von Fertigkeiten?

Für den Abschluss eines Lernprogramms in den Zertifikatskursen wird von einem unabhängigen Personenzertifizierer eine Prüfung durchgeführt und dokumentiert. Bei jeder Schulung wird zudem das Feedback der Teilnehmer gesammelt und evaluiert, um sicherzustellen, dass mit den verwendeten Methoden und Ressourcen auch die vereinbarten Lernergebnisse erreicht werden.

Gerade für die Fraunhofer-Gesellschaft, die dem Transfer ihrer wissenschaftlich-technischen Ergebnisse in die Industrie verpflichtet ist, spielen Standards eine immer wichtigere  Rolle: Standard-basierte, digitale Lösungen gewinnen typischerweise durch die im Standard angelegten Funktionalitäten. Die Interoperabilität der standard-basierten Lösungen steigert ihre Kompatibilität, Einsatzfähigkeit und Skalierbarkeit. So engagiert sich Fraunhofer FOKUS seit Jahrzehnten in nationalen und intermationalen Standardisierungsgremien, insbesondere bei der Indusriestandardisierung.

In welchen Standardisierungsgremien Fraunhofer FOKUS aktiv ist, erfahren Sie hier.