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Smart City Referenzarchitekturen

Bis 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben, prognostizierten die Vereinten Nationen 2014 im Rahmen ihres Weltbevölkerungsberichts. Bis 2030 entstehen so rund vierzig Megastädte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Dabei bringt die wachsende Urbanisierung Herausforderungen in verschiedenen Bereichen mit sich – egal ob Verkehr, Sicherheit oder Energieversorgung. Dass sich die Gesellschaft verändert, ist unumstritten. Zunehmend prägt der Begriff »Smart City« die sich wandelnden Verhältnisse, da Smart Cities einhergehend mit zunehmender Digitalisierung und technologischem Fortschritt Lösungen für die Herausforderungen der Urbanisierung bieten können.

Aktuelle Entwicklungen

Bewohner von intelligenten Städten können bis zu 125 Stunden im Jahr sparen, schätzt das Marktforschungsunternehmen Juniper Research 2017. Für diese Studie wurden 20 Städte – u. a. New York City, Tokio und auch Berlin – analysiert. Hauptsächlich ging es bei den Untersuchungen um die Frage, inwieweit eine intelligente Stadt positive Auswirkungen auf die Bewohner haben kann. Das betrifft Zeitersparnisse genauso wie sichere Straßen, digitale Verwaltungsservices, Effizienz oder eine verbesserte Gesundheit. Doch damit Smart Cities auch tatsächlich einen Mehrwert für das tägliche Leben bieten, bedarf es nicht nur innovativer Ideen. Vielmehr ist dabei von großer Bedeutung, dass die dahinterstehende Urbane Plattform reibungslos funktioniert und zuverlässige Dienste für relevante Stakeholder und städtische Einwohner bietet. Um dies zu erreichen, sollen IKT Referenzarchitekturen verwendet werden, die die Grundlage für die Entwicklung Urbaner Datenplattformen bereitstellen.

Optimierungen durch Smart City Lösungen

Doch was sind Smart City Lösungen überhaupt? Smart Cities basieren auf der Idee, durch den Datenaustausch zwischen verschiedenen Interessensgruppen und Datenquellen innovative Anwendungen und Dienste bereitzustellen. Ziel ist es, Abläufe und Prozesse innerhalb einer Stadt zu optimieren – auch in der Stadtverwaltung selbst. Generell richten sich Smart-City-Lösungen aber an verschiedene Nutzergruppen, darunter an Bürger, lokale Unternehmen (KMU und Industrie) bis hin zu öffentlichen Verwaltungen, (Daten-)Journalisten und NGOs. Besonders globale urbane Aspekte wie Mobilität, öffentlicher Verkehr, Energie, Bürgerbeteiligung und öffentliche Sicherheit profitieren von den aktuellen Entwicklungen von Smart City Lösungen.

Smart City Referenzarchitekturen

Um die oben erwähnten Domänen mit der entsprechenden Vielfalt an Szenarien zu bewältigen, ist es aber notwendig, dass eine möglichst große Anzahl von Datenquellen und Infrastrukturkomponenten berücksichtigt wird, damit adäquate Ergebnisse optimal verwendet werden können. Dazu sollten neben offenen (behördlichen) Daten auch dynamische kontinuierliche Daten – z. B. von Sensoren und IoT-Infrastrukturen – sowie statistische Daten aus öffentlichen Quellen berücksichtigt werden. Dies jedoch bringt auch eine erhöhte Komplexität in Bezug auf die erforderliche Infrastruktur mit sich. Darunter fallen Datenzentren, Kommunikationsnetzwerke, Router, Switches, WLAN-Zugangspunkte, Cloud-Dienste oder mobile Endbenutzeranwendungen. Eine aus solchen komplexen Datenquellen und Infrastrukturkomponenten bestehende Umgebung sollte jedoch nach einheitlichen Standards strukturiert sein. Daher sind Referenzmodelle für Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ein wesentlicher Bestandteil und Grundvoraussetzung für Smart Cities.

IKT-Referenzarchitekturen ermöglichen es, neue Komponenten einzuführen sowie bestehende Infrastrukturen einzuordnen und zu charakterisieren. Der IKT-Rahmen einer Stadt ist idealerweise dazu in der Lage, auf Open Source und Open Data basierende Lösungen zu nutzen, wobei die Datenkommunikation über standardisierte und interoperable Schnittstellen erfolgt. Damit dies möglich ist, müssen abstrakte Schnittstellen zwischen verschiedenen konzeptionellen Grenzen und zugehörigen Komponenten identifiziert werden. Entsprechende Designprinzipien ermöglichen die Schaffung integrativer Lösungen, die aus Komponenten verschiedener Stakeholder zusammengestellt werden. Darunter fallen z. B. lokale KMU, Open-Source-Initiativen oder auch die Großindustrie. Dies würde den Städten helfen, den sogenannten Vendor-Lock-In zu vermeiden und damit die ständige Abhängigkeit von Anbietern und spezifischen Netzwerk-/Service-Providern zu durchbrechen.

DIN SPEC Offene Urbane Plattform und EIP SCC

Die DIN SPEC 91357 »Offene Urbane Plattform« (OUP) basiert auf der Referenzarchitektur der European Innovation Partnership (EIP), die im Rahmen eines entsprechenden Memorandum of Understanding für Smart Cities and Communities (MoU EIP SCC) definiert wurde. Ziel war es, das europäische Referenzmodell (EIP SCC) an die Anforderungen des deutschen Marktes anzupassen. Mit der Entwicklung von oupPLUS soll ein zentrales Element für die Umsetzung standardisierter Smart City-Konzepte im urbanen Raum geschaffen werden.

Service Access Points (SAPs)

Service Access Points beschreiben abstrakte Schnittstellen, die einen Daten-/Informationsaustausch zwischen Komponenten ermöglichen. In Bezug auf oupPLUS werden die SAP entlang der Schichten der Referenzarchitektur bereitgestellt und sind in den verschiedenen Artefakten (Schichten und Säulen) platziert.

Service Access Points alongside oupPLUS layers / pillars
Service Access Points Fraunhofer FOKUS

Dabei werden unterschiedliche, für die urbane IKT relevante Protokolle und Datenformate auf die zugehörigen SAPs abgebildet und stellen eine konkrete Implementierung eines SAPs dar. Folgende Standards werden unter anderem berücksichtigt:

  • Netzwerk-Routing und -Weiterleitungsprotokolle (z. B. OSPF, RIP, BGP, IPv4/v6, ARP, 6LowPan, ICMP(v6), …)
  • Transportschichtprotokolle (z. B. TCP, UDP, RTP)
  • Tunneling und sichere Datenübertragung (z. B. L2PT, IPSec, TLS, …)
  • Applikations-/Service Layer Kommunikationsstandards (HTTP, CoAP, SOAP, SIP)
  • Relevante Formate für Datendarstellung (XML, JSON, CSV)

Indem diese Standards auf SAPs zugeordnet werden, können integrative Smart City IKT-Lösungen realisiert werden, die auf Interoperabilität und dem Austausch von Daten zwischen Komponenten verschiedener Hersteller basieren.

Testen von SAPs im Rahmen von oupPLUS

Einhergehend mit den Konzepten von oupPLUS bezieht sich Qualitätssicherung auf die Beurteilung, wie sich Smart City-Komponenten, die Protokolle, Schnittstellen und Datenformate implementieren, den zugehörigen SAPs zugewiesen sind. Beispielsweise müsste ein Router in Bezug auf Routing (z. B. OSPF (v3), RIP, BGP) und Adressierungsmerkmale untersucht werden. Erst danach würde er als Smart City-Komponente akzeptiert werden, um z. B. das Routing für ein öffentliches Netzwerk zu realisieren.

Dafür sind entsprechende Testsuiten erforderlich, die für die Bewertung der SAP-Implementierungen einer Komponente im Einklang mit dem gesamten IKT-oupPLUS-Blueprint notwendig sind. Auch Testsuiten sollten auf Standards basieren, genauso wie Testfälle in Form von Positiv-, Negativ-, Äquivalenz- und Grenztests.

Dabei wird wie folgt vorgegangen:

  1. Abbildung einer Smart City Komponente auf entsprechende Schichten / Säulen von oupPLUS
  2. Identifikation relevanter SAPs basierend auf oupPLUS Schichten / Säulen
  3. Identifikation von SAP-relevanten Protokollen und Datenformaten
  4. Identifikation relevanter Konformitäts- und Sicherheits-Testsuites, die die Anforderungen und Spezifikationen der relevanten Protokolle und Datenformate abdecken
  5. Durchführung der entsprechenden Konformitäts- und Sicherheitsprüfungen gegen das SUT (System under Test)
  6. Überprüfung der Ergebnisse (Testprotokolle) und kontinuierliche Ausführung bis zum Erreichen vordefinierter Qualitätskriterien

Zertifizierung für Smart City Komponenten

Basierend auf Tests entlang der Service Access Points kann ein Zertifizierungsverfahren für Smart-City IKT-Komponenten eingerichtet werden. Dieses kann Aspekte wie die Einhaltung von Standards, Robustheit und Widerstandsfähigkeit gegen Cyber-Angriffe sowie Interoperabilität zwischen Smart-City Komponenten sicherstellen. Darüber hinaus können Interoperabilitätstest auf Komponentenebene zwischen Lösungen von verschiedenen Anbietern durchgeführt werden.

Forschungsaktivitäten von SQC im städtischen IKT-Bereich

Aktuelle Forschungsaspekte beziehen sich auf Konzepte, die für ein solches Zertifizierungsmodell erforderlich sind. Außerdem steht die Frage im Vordergrund, wie man den Einsatz und die Implementierung städtischer IKT-Räume und -Technologien (d. h. intelligente Städte) beschleunigen kann. Entsprechend sollten diese urbanen IKT-Räume auf hoch qualitativen Komponenten basieren, die integrative Lösungen in einem nachhaltigen und dynamischen IKT-Ökosystem aufbauen. Dadurch kann die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern/ Betreibern vermieden werden. Außerdem wird eine Skalierung in Bezug auf den Austausch und den Zugriff von Daten/ Informationen ermöglicht.