FOKUS, Bild, Newsletter, 210719
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Wie digital ist Deutschland?

»Wie digital ist Deutschland?« – eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Schaut man auf die Negativschlagzeilen der letzten Monate im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, so scheint ein schlechtes Urteil festzustehen: Hilfen, die aufgrund komplizierter und langwieriger Antragsprozesse nicht ausgezahlt werden konnten, Infektionszahlen, die per Fax übermittelt werden – um nur einige Beispiele zu nennen. Auf der anderen Seite steht aber auch fest, dass die Digitalisierung in Deutschland während der Pandemie dafür sorgte, dass das Wirtschaftsleben trotz Kontaktbeschränkungen weitergehen konnte. Wie digital ist Deutschland also wirklich? Dies zeigt der »Deutschland-Index der Digitalisierung« des Kompetenzzentrums Öffentliche Informationstechnologie (ÖFIT) am Fraunhofer FOKUS.

Der Deutschland-Index der Digitalisierung wird seit 2017 alle zwei Jahre veröffentlicht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen dabei der Frage nach: »Wie steht es aktuell um die Digitalisierung in Deutschland auf Ebene der Länder?« Durch die Analyse einer Vielzahl von Indikatoren wird die Entwicklung der Digitalisierung begreifbar. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf dem Stand der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in den Kommunen. Aus diesem Grund wurde die regelmäßige Erhebung des Angebots von rund 300 ausgewählten kommunalen Webportalen um zusätzliche Aspekte erweitert. Eine regional repräsentative Bevölkerungsumfrage mit mehr als 5.500 Befragten ergänzt die Untersuchung des Angebots um die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer. So zeigt sich ein Gesamtbild der Nachfrage nach und des Angebots von digitalen Verwaltungsleistungen auf kommunaler Ebene.

Die Darstellung und Analyse im Deutschland-Index orientiert sich dabei am bewährten Vorgehen: Ein hoher Indexwert steht für eine weit fortgeschrittene Digitalisierung in den untersuchten Themenfeldern: Infrastruktur, Wirtschaft und Forschung, Digitales Leben, Bürgerservices und Digitale Kommune. Der Index soll bei der Analyse von regionalen Stärken und Schwächen unterstützen und Handlungsbedarfe aufzeigen. Wesentliche Ergebnisse des Deutschland-Indexes der Digitalisierung 2021 sind:

Digitale Infrastruktur

Besonders hervorzuheben ist der Fortschritt beim Ausbau der Gigabit-Anschlüsse, der hauptsächlich durch die Modernisierung der Kabelnetze ermöglicht wurde. Demgegenüber steht ein nur schleppender Ausbau der Glasfaser-Infrastruktur. Beim »alten« Breitbandziel nähert man sich einer flächendeckenden Versorgung: Waren 2018 noch 87,8 Prozent der Haushalte mit einem Breitbandanschluss von 50 Mbit/s versorgt, sind es Mitte 2020 schon 93,3 Prozent. Hier können gerade bislang eher schlechter versorgte Länder teilweise starke Zuwächse verzeichnen.

Wirtschaft und Forschung

Ein überproportionales Wachstum ließ sich bei den Beschäftigten im IT-Sektor beobachten: Mit 13,2 Prozent lag es deutlich höher als das Beschäftigungswachstum (3,5 Prozent) insgesamt. Hier zeigt sich, dass die Personalgewinnung von Fachkräften eine immer größere Herausforderung darstellen dürfte. Dem gegenüber stehen jedoch wachsende Auszubildenden- und Studierendenzahlen.

Digitales Leben

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie lassen sich an einigen Indikatoren des Themenfeldes »Digitales Leben« ablesen: So wird Breitband-intensives Video-Streaming in allen Ländern intensiv genutzt und der Anteil der Online-Einkäuferinnen und -Einkäufer nimmt im Vergleich zu den vorherigen Beobachtungszeiträumen leicht überdurchschnittlich zu. Bemerkenswert sind zudem die hohen Nutzungszahlen im Homeoffice: So arbeiten in manchen Ländern bis zu 70 Prozent der Befragten zumindest gelegentlich von Zuhause aus. Diese Entwicklungen lassen den zukünftigen Bedarf an digitaler Infrastruktur erahnen.

Bürgerservices

Auch durch die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach digitalen Verwaltungsleistungen enorm gestiegen. Diese Angebote erreichen jedoch nicht alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen, da die digitalen Leistungen eher von Personen mit hoher Technikaffinität, einer intensiven Internetnutzung und hoher formaler Bildung in Anspruch genommen werden.

Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in den Kommunen

Mit dem Schwerpunkt der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes lag ein besonderes Augenmerk dieser Ausgabe auf dem Angebot von digitalen Verwaltungsleistungen auf kommunaler Ebene. Hier wurde festgestellt, dass vor allem einfache Leistungen gute Angebotswerte erreichen. So bieten über 70 Prozent der untersuchten Kommunen die digitale Beantragung eines polizeilichen Führungszeugnisses, aber nur vier Prozent die komplexere Beantragung einer Baugenehmigung an. Insgesamt steigt das Angebot von Onlinedienstleistungen kontinuierlich, allerdings nur sehr langsam, an. Neben dem Angebot ist auch der Zugang zu Verwaltungsleistungen und die Benutzbarkeit kommunaler Webportale entscheidend. In diesen Bereichen sind seit der letzten Erhebung in nahezu allen Ländern Fortschritte erzielt worden. Erfreulich ist zudem die positive Bewertung der kommunalen Webportale durch die Bürgerinnen und Bürger, die in einer repräsentativen Umfrage zu Aspekten wie der Benutzbarkeit und der Auffindbarkeit von Leistungen befragt wurden. Aufgrund dieser aktuellen Offenheit von Bürgerinnen und Bürgern ist das Zeitfenster günstig, um jetzt zügig ein flächendeckendes Angebot zu realisieren.