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Fraunhofer FOKUS / ÖFIT

Öffentliche IT

Im Oktober 2023 feierte das Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) sein 10-jähriges Bestehen. ÖFIT versteht sich als Ansprechpartner und Denkfabrik für Fragen der öffentlichen IT und untersucht staatliche Gestaltungs- und Regulierungsanforderungen zur Digitalisierung im öffentlichen Raum. Dabei steht ein ganzheitlicher Ansatz im Vordergrund, der sowohl technische als auch gesellschaftliche, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte und Einflussfaktoren berücksichtigt. Auf der Jubiläumskonferenz standen Fragen rund um den nachhaltigen Wissenstransfer in die Verwaltung im Mittelpunkt der Diskussionen: Wie lassen sich Erkenntnisse aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft wirksam in die Praxis der öffentlichen Verwaltung übersetzen? Was zeichnet eine nachhaltige Transferkultur aus und wie kann sie weiter gestärkt werden? Im Interview erklärt Prof. Dr. Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums ÖFIT, mit welchen Fragen sich ÖFIT beschäftigt.

Herr Parycek, wenn Sie auf die letzten zehn Jahre zurückblicken, wie hat sich die öffentliche IT und damit das Kompetenzzentrum ÖFIT entwickelt?

Zur Gründungsveranstaltung von ÖFIT war ich zunächst als Gast zufällig anwesend und von der Einrichtung eines Think-Tanks für den öffentlichen Sektor beeindruckt, eine Seltenheit im deutschsprachigen und europäischen Raum. Womit ich damals nicht gerechnet hatte, dass ich einige Jahre später die unglaubliche Freude und Ehre habe, das Kompetenzzentrum selbst zu verantworten.

Wenn wir zurückblicken auf die letzten zehn Jahre, können wir feststellen, dass wir in der Trend-Beobachtung die technologischen Trends präzise erkannten und ihre Bedeutung erfolgreich in den Diskurs eingebracht haben. Die Implementierung von Technologien wie Cloud-Infrastrukturen, die wir seit über einem Jahrzehnt thematisieren, hat allerdings länger gedauert als angenommen bzw. ist nach wie vor nur vereinzelt im Einsatz. Besonders hervorzuheben ist das gestiegene Bewusstsein für die Relevanz von Daten, von großen Datenmengen bis hin zu kleinen, hochqualitativen Datensätzen – ein Bereich, in dem wir als ÖFIT immer wieder aktiv Impulse gesetzt haben.

Ihre Beispiele decken breite Themenbereiche ab. Was genau können wir uns unter öffentlicher IT vorstellen?

Öffentliche IT ist bewusst weit gefasst. Unter öffentlicher IT verstehen wir Informationstechnologien, die den öffentlichen Raum prägen und unter der staatlichen Verantwortung stehen. Von grundlegenden Infrastrukturen wie Cloud-Infrastrukturen oder Sensoren im öffentlichen Raum, die in behördlicher Verantwortung stehen. Darauf aufbauend laufen Dienstleistungen, wie etwa Verkehrsflussanalysen durch Sensoren, die zu einer effizienteren Ampelschaltung führen. Oder, es entsteht ein Echtzeit-Digitalservice, der den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt und ihnen sagt, nimm lieber diese alternative Route, um den Stau zu umfahren. So etwas geschieht zum Beispiel in Hamburg. Die Stadt agiert so auf Augenhöhe mit kommerziellen Anbietern und bietet Prognosen in gleicher und besserer Qualität. 

ÖFIT wird vom Bundesministerium des Innern und für Heimat gefördert. Welche Erwartungen hat die öffentliche Verwaltung an ÖFIT? Und wie genau beeinflusst das Kompetenzzentrum die Entwicklung der öffentlichen IT?

Die ursprüngliche Intention war, einen neutralen Think-Tank zu schaffen, der sich mit der Frage auseinandersetzt, wie verändert Technologie den öffentlichen Sektor. Mit diesem Schwerpunkt – also Technologie im öffentlichen Sektor – beschäftigen sich weltweit nur wenige Think-Tanks.

Zu der Frage, wie sich die Arbeit von ÖFIT auswirkt: Wir publizieren gut verständliche Policy-Papers für die Entscheidungsträger – und dies bewusst in deutscher Sprache. Unsere Publikationen bieten sowohl Grundlagen zum aktuellen Stand der Forschung als auch Empfehlungen zur Umsetzung von Technologie im öffentlichen Raum. Wir schreiben also bewusst keine wissenschaftlichen Artikel, sondern fassen den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammen. Unsere Forschungsergebnisse bringen wir über unterschiedliche Veranstaltungsformate in den Diskurs und arbeiten dabei auch direkt mit Entscheidungsträgern zusammen. An der ein oder anderen Stellen machen wir Dinge auch über Prototypen erlebbar. Ein Beispiel ist ein Bastelset zu Corona-Warnmeldungen, welches wir an interessierte Entscheiderinnen und Entscheider weitergegeben haben. Mithilfe des Sets konnte man sich anzeigen lassen, wie viele Personen um einen herum die Corona-Warn-App aktiviert haben.

Was war Ihr persönliches Highlight in den letzten zehn Jahren als Leiter des Kompetenzzentrums?

Für mich persönlich war die Einladung zum Digitalrat der Bundesregierung, durch die Bundeskanzlerin, mein ganz persönliches Highlight. Hier haben wir in über neun Sitzungen mit der Kanzlerin und dem Bundeskabinett über die digitale Transformation in Deutschland diskutiert. Wichtig war uns, dass aus dem Diskurs auch direkte Projekte entstanden sind und wir nicht nur diskutiert haben, so zum Beispiel das Projekt der Registermodernisierung. Bei der Registermodernisierung geht es um die Grundlage der öffentlichen Verwaltung – ihre Daten für die Verwaltungsverfahren. Diese sind über ganz Deutschland verteilt, in verschiedenen Datenbanken gespeichert. Das Konzept zur Modernisierung der Registerlandschaft, die Unterstützung im Finden eines politischen Kompromisses oder die Erstellung der Gutachten haben wir maßgeblich mitbegleitet bzw. entwickelt. Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass ich die Implementierung Registermodernisierung als Beiratsvorsitzender abschließend begleiten darf. Somit haben wir vom politischen Kompromiss, über den Beschluss im Bundestag bis hin zur Implementierung den politischen Zyklus einmal durchlaufen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der öffentlichen IT in Deutschland? Wie geht es weiter mit ÖFIT?

Am Ende wünschen wir uns alle benutzerfreundliche Services auf allen föderalen Ebenen. Diese sollten durch teilautomatisierte Verfahren mit möglichst wenigen Dateneingaben durch die Nutzerinnen und Nutzer auskommen. Im öffentlichen Raum sollte uns IT das Leben erleichtern, aber nicht zu einem orwellschen Staat führen.

Für ÖFIT werden in Zukunft die Themen Daten und KI Schwerpunkte sein. Generell wollen wir schauen, wie wir durch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen noch größere Unterstützungswirkung für eine erfolgreiche digitale Transformation des öffentlichen Sektors bieten können.