LowCodeLive 2022 Bericht
Paul Hahn/ Fraunhofer FOKUS

Low Code im praktischen Einsatz – Bericht von der Konferenz »Low Code Live«

News vom 08. Sept. 2022

Es klingt sehr einfach: Man muss nur noch klicken können. Programmierkenntnisse sind nicht mehr nötig, jedenfalls in den meisten Fällen. Die Rede ist von Low Code. Klassische textbasierte Programmierung ist dann nicht mehr notwendig. Gebraucht werden eine grafische Oberfläche und Softwarebausteine. In Berlin trafen sich gestern im Fraunhofer-Institut FOKUS Expertinnen und Experten, um über die Anwendung von Low Code im Public Sektor zu sprechen und Praxisbeispiele zu diskutieren. Die Konferenz wurde gemeinsam mit den Partnern aus Wirtschaft und Verwaltung des Fraunhofer FOKUS eGovernment Labors durchgeführt.

Low Code ist keine neue Erfindung, ist aber aktuell wieder sehr stark in den Fokus der öffentlichen Verwaltung getreten, da Low Code die Digitalisierung der Verwaltung effizient unterstützen kann. Bereits seit Jahrzehnten findet das Verfahren beispielsweise beim Bauen von Webseiten Anwendung. Von Content-Management-Systemen wie Wordpress zu Low Code-Plattformen für die öffentliche Verwaltung ist es gar kein so großer Sprung.

Die auf der Konferenz vorgestellten Beispiele zeigten einiges, und drei Faktoren spielten eine wichtige Rolle, der Faktor Zeit, der Faktor Sicherheit und die Skalierbarkeit. Wie ein roter Faden zog sich die Nachnutzung durch die Vorträge. Und gerade für die Schnelligkeit ist die Nutzung von bestehenden Plattformen ein wichtiger Faktor.

Die heutige Softwareentwicklung ist klassisches Handwerk. Software wird quasi in Manufakturen produziert und dann von Anwendern eingesetzt. »Low Code ermöglicht die direkte und schnelle Änderung an Software,« sagte Jan Gottschilk vom Fraunhofer FOKUS in seinem Vortrag. »Es schärft die Rollen von Fachexperten und IT-Spezialisten, und es ermöglicht die Automatisierung in der Softwareentwicklung«.

Man müsse die Software dann nicht immer neu programmieren, sondern könne sie anpassen. »Wir brauchen eine entsprechende Grundversorgung, eine föderale, einheitliche Bereitstellung und transparente Kosten«, sagte Peter Parycek von Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT). »Wir sollten die Technik auch selber beherrschen können, Stichwort digitale Souveränität.« Über die Standardisierung könnten Elemente entwickelt werden, die immer wieder benutzt werden. Es helfe bei Verfahren, weil man es im Hintergrund schnell zusammenbauen könne, auch ohne Informatikkenntnisse.

Und Nebojsa Djordjevic von moysies & partners GmbH ergänzte in seiner Präsentation, dass der Charme von Low Code nicht in seiner Intelligenz liege, sondern dass es einfach sei. Aber man solle sich auch nicht in die Tasche lügen, ganz ohne Programmierkosten ginge es dann auch wieder nicht. Djordjevic zeigte zusammen mit Ralf Meyer von der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin wie Dank Low Code in sechs Wochen die Anträge für Verdienstausfälle im Rahmen der Corona-Pandemie online gestellt werden konnten.

Wie schnell mit Low Code zu einer Lösung gefunden werden kann, demonstrierte auch Markus Naaf von T-Systems. Für die Beantragung von Corona-Soforthilfen in Bayern entwickelte das Unternehmen mittels Low Code innerhalb von fünf Tagen ein Onlineportal. Zuvor waren die Verwaltungen in pdf-Formularen geradezu untergegangen. Dank einer echten Ende-zu-Ende-Digitalisierung könnten Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter entlastet werden. Sie seien ausgebildet, um Ermessungsentscheidungen zu treffen und nicht nur zu lochen, sagte Neefs. Insgesamt wurden dann später 26 Förderprogramme auf Basis von Low Code aufgebaut. Die Nachnutzung ist ein wichtiges Argument für den Einsatz von Low Code.

Dank Low Code sei es einfacher, sich Kompetenzen anzueignen und aufzubauen, sagte Stig Martinsson von der schwedischen Arbeitsagentur. Im April 2020 waren die Schweden gestartet, die Verwaltung noch stärker zu digitalisieren. Der Grund waren Einsparmaßnahmen. Martinsson sprach von einer Low Code-Bewegung, von einer neuen Ära. Low Code bringe Geschwindigkeit in die Entwicklung. Es sei so auch möglich, das Tagesgeschäft frühzeitig in die Entwicklung einzubinden. Es zeigte sich auch, dass die IT sich in Richtung Tagesgeschäft bewege und auch umgekehrt. Man werde immer mehr zu einem Team.

Das systematische Testen sei weiter wichtig, erläuterte Jens Tiemann vom ÖFIT. Low Code biete die Bausteine. In 80 Prozent der Fälle sei das Zusammensetzen der Module sehr einfach, sagte Zehra Öztürk von der Senatskanzlei Hamburg. Aber die Frage seien die restlichen 20 Prozent. Öztürk berichtete über den aktuellen Stand des digitalen Baukastens MODUL-F. Das Infrastrukturprojekt für eine vereinfachte Fachverfahrensentwicklung hatte einen Tag zuvor beim diesjährigen eGovernment-Wettbewerb den 1. Platz in der Kategorie »Bestes Kooperationsprojekt 2022« gewonnen. Bei Low Code sei Individualität und Funktionalität hervorragend kombinierbar. Es reiche aber nicht nur eine Schulung, die sei sehr wichtig, aber man brauche auch Erfahrung.

Nutzerzentrierung war das Thema beim Kurzvortrag von Anna Opaska und Susanna Kuper vom Fraunhofer FOKUS. Sie stellten Szenarien vor, in denen Fachleute, Nutzende sowie Bürgerinnen und Bürger Anwendungen niedrigschwellig selbst (mit)entwickeln können, z. B. im Rahmen von Hackathons, durch die Ausarbeitung von Modellen oder die Konzipierung von Tests.

Wie Low Code-Plattformen funktionieren, konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem extra eingerichteten Low Code-Café des Fraunhofer FOKUS ausprobieren. Abgerundet wurde die Konferenz durch zahlreiche Aussteller aus der Branche, die den Stand ihrer Entwicklungen präsentierten.