EU-Projekt ACROSS: Verwaltungsservices über Ländergrenzen hinweg nutzen –einfach, sicher, datenschutzkonform

01. Febr. 2021 bis 31. Jan. 2024


Aufgabe / Problemstellung

Bisher gibt es keine bequeme Möglichkeit, um Bürgerservices der EU-Mitgliedsstaaten integriert zu nutzen. Um beispielsweise für ein halbes Jahr in einem anderen als dem eigenen europäischen Land zu studieren, müssen in beiden Ländern verschiedenste Anträge –zur Studienplatzsuche, für Bescheinigungen, zur Anmeldung, etc. – gestellt werden. In jedem Land extra, im fremdsprachigen Ausland meist in der Landessprache. Das soll sich künftig ändern: Mit dem Single Digital Gateway (SDG) wird in den kommenden Jahren ein einheitliches digitales Zugangstor zu den Verwaltungsleistungen der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedstaaten eingerichtet. Dazu wird die bereits bestehende digitale EU-Plattform »Your Europe« aus- und umgebaut: Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen erhalten online nutzerfreundlichen  Zugriff auf Informationen, Verfahren sowie Hilfs- und Problemlösungsdienste in allen EU-Mitgliedstaaten. 

Ausgewählte Verwaltungsverfahren werden grenzüberschreitend in allen Mitgliedstaaten so digitalisiert bereitgestellt, dass sie vollständig medienbruchfrei online abgewickelt werden können. Im Projekt ACROSS werden Methoden erforscht und ein Werkzeug-Framework entwickelt, um die Bürgerinnen und Bürger interaktiv, nutzerfreundlich und leicht verständlich durch diese neuen Angebote zu führen. Unter Einhaltung der in der öffentlichen Verwaltung zu berücksichtigenden Rahmenbedingungen bezüglich Datenschutz und Datensouveränität sowie der in der konkreten Anwendungsdomäne geltenden sonstigen regulatorischen Anforderungen werden hierzu innovative Konzepte, u.a. aus den Bereichen KI, Semantische Technologien, Cloud und Mobile Computing, kombiniert. ACROSS wird in drei Ländern (Griechenland, Deutschland und Lettland) entwickelt und Pilottests unterzogen.

ACROSS ACROSS wird finanziert durch das Forschungs- und Innovationsrahmenprogramm Horizon 2020 der Europäischen Kommission und ist für drei Jahre angelegt. Koordiniert wird das Konsortium – bestehend aus zehn Partnern aus sieben Europäischen Ländern – vom Athen Technology Center ATC. Neben Fraunhofer FOKUS gehören dem Konsortium Tecnalia, Dataport, Engineering, GRNET, TimeLex, Lissabon Rat, WAAG Gesellschaft und VARAM an.


Lösungsansatz

Im Vorhaben ACROSS wird basierend auf der User-Journey-Methodologie eine Plattform entwickelt, die es ermöglicht, ein breites Spektrum von in EU-Mitgliedsländern vorhandenen Online-Diensten (von öffentlichen Verwaltungen oder auch aus der Privatwirtschaft) integriert in (ggf. länder-übergreifende) Workflows und auf komfortable Weise über eine »One-Stop-Shop«-Application zugreifbar zu machen. Der dazu nötige grenzüberschreitende Zugriff auf persönliche Nutzerdaten wird durch die Plattform organisiert und kann transparent mittels eines »privacy dashboards« gesteuert werden.

Fraunhofer FOKUS ist im ACROSS-Projekt für zwei in die ACROSS-Plattform integrierte Nutzerunterstützungswerkzeuge (»User support tools«) verantwortlich:

Das User Journey Modelling Tool (UJMT) ermöglicht Fachleuten aus der Verwaltung, die sich mit dem jeweils vorhandenen Dienste-Portfolio auskennen, Entwurf von spezifischen Muster-Abläufen (Workflows), die jeweils konkreten Anwendungsfällen korrespondieren (z.B. »Umzug von Griechenland nach Deutschland zwecks Studienaufenthalt«). Die auf diese Weise spezifizierten Musterabläufe werden in der ACROSS-Plattform vorgehalten. Wenn Anwender mit Hilfe der ACROSS-Plattform einen Auslandsaufenthalt konkret planen und vorbereiten, werden diese Musterabläufe wie »Kochrezepte« ausgewählt und umgesetzt. Andere Komponenten der ACROSS-Plattform organisieren im weiteren Verlauf auch die eigentliche Abarbeitung (»Orchestrierung«) des ausgewählten Workflow-Musters, in dem sie dessen einzelne zu nutzende (»elementare«) Dienste in der korrekten Reihenfolge aufrufen und dem Nutzer ggf. ermöglichen, mit dem aktuellen aktiven Dienst zu interagieren. Dies kann z.B. notwendig sein, um zur erfolgreichen Dienstausführung noch zusätzlich benötigte Daten einzugeben.

Das User Journey Modelling Tool ermöglicht es dem Nutzer und der Nutzerin hierbei, sich zunächst einen Überblick über verfügbare und für den intendierten Zweck passende Online-Dienste zu verschaffen. Diese werden aus einem »Service-Katalog« ermittelt und zunächst in einer Art Palette gesammelt dargestellt. Aus dieser können sie entnommen werden, um daraus grafisch-interaktiv komplexe Workflow-Muster zusammenzustellen. Die Implementierung des Modellierungswerkzeugs erfolgt auf Basis eines webbasierten Diagramm-Editors, der als ausgereiftes Open-source-Softwarepaket verfügbar ist.

Der Virtuelle Assistent (VA) zielt darauf ab, die über die Nutzerschnitsttelle der »One-Stop Shop Application« zur Verfügung gestellte Funktionalität der ACROSS-Plattform den Bürgerinnen und Bürgern in noch komfortablerer Weise nutzbar zu machen – und zwar konversational, also über (geschriebene oder gesprochene) Dialoge in natürlicher Sprache. Der VA baut auf in Vorgängerprojekten bei FOKUS entwickelten Konzepten und Technologien auf, um eine nahtlose und minimal-invasive Integration mit der ACROSS-App zu erzielen. Die Sprachverarbeitung und Dialogsteuerung des Systems basiert auf einem hybriden KI-Ansatz, der Deep-Learning-Verfahren und regelbasierte Techniken integriert (wiederum unter konsequentem Aufbau auf Open-Source-Softwarepakete), um maximalen Nutzen bei geringstmöglichen KI-spezifischen Risiken zu erzielen.

Meilensteine

Nach der in der ersten Projektphase erfolgten Realisierung erster, noch isolierter Proof-of-Concept-Implementierungen wurden rechtzeitig zum Projektreview (im Mai 2022) erste mit anderen (in Entwicklung befindlichen) Komponenten der ACROSS-Plattform integrierte Versionen beider Nutzerunterstützungswerkzeuge von FOKUS ausgeliefert. Somit konnte ein Hauptmeilenstein des Vorhabens erreicht werden.

Mit dem UJMT konnte vor dem diesjährigen ACROSS-Review erfolgreich demonstriert werden, wie ein Muster-Workflow grafisch-interaktiv entworfen und sodann durch die kollaborierende, beim Partner TEC entwickelte Komponente »User Journey Service Engine« orchestriert und ausgeführt werden konnte.

Der VA konnte in der Demonstration erfolgreich die Funktionalität der One-Stop-Shop-App zum Auswählen und Starten eines Muster-Workflows sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache sprach- und chatbasiert steuern. Somit wurde sowohl die Funktiosfähigkeit der engen Kopplung des VA mit der beim Konsortialpartner ATC entwickelten One-Stop-Shop-App belegt (und folglich indirekt auch zu den dem UJMT im Verarbeitungsfluss nachfolgenden Komponenten wie z.B. der UJSE), als auch die prinzipielle Praktikabilität des verwendeten Konzepts zur Unterstützung von Multilingualität.