Gemeinsam durch den Stadtverkehr: TEAM entwickelt 11 Apps für kollaborative Mobilität in Europa
News vom 18. Okt. 2016
Pressemitteilung – Heute beginnt die zweitägige Abschlusskonferenz des vierjährigen europäischen Forschungsprojekts TEAM (Tomorrow's Elastic Adaptive Mobility) in Berlin. Zentrales Ergebnis sind elf Apps für Verkehrsteilnehmer, Fahrzeuge und Verkehrsmanagementzentralen. Sie geben u. a. konkrete Handlungsempfehlungen für eine soziale und umweltfreundliche Mobilität und unterstützen Verkehrsmanagementzentralen bei einer Verkehrssteuerung, die sich dynamisch den Bedürfnissen der Verkehrsteilnehmer anpasst.
Der eine muss mit dem Bus pünktlich zur Arbeit kommen. Die andere will mit ihrem Auto möglichst alle Baustellen in der Stadt weiträumig umfahren. Die Schülerin freut sich, wenn auf ihrem Schulweg wenig Autos unterwegs sind. Mobilitätsbedürfnisse sind individuell und situationsspezifisch und haben dabei immer Auswirkung auf den Gesamtverkehr. Wählen alle die schnellste oder kürzeste Route eines herkömmlichen Navigationssystems, ist der nächste Stau schon vorprogrammiert. Was bislang fehlt, sind die Flexibilität und die richtigen Daten für eine systemweite Optimierung der Mobilität. Im europäischen Forschungsprojekt TEAM (Tomorrow's Elastic Adaptive Mobility) wurden Bausteine einer vernetzten und kollaborativen Mobilität entwickelt, auf deren Basis elf Apps für Reisende erstellt wurden, die im Fahrzeug und auf dem Smartphone sowohl die individuellen Bedürfnisse der Verkehrsteilnehmer berücksichtigen als auch die Anforderungen der Verkehrslenker und der gesamten Stadt im Blick haben. Die Apps unterstützen die Nutzerinnen und Nutzer während der gesamten Fahrt: von der Planung über den Sprung in den ÖPNV oder die Parkplatzsuche bis hin zur rückblickenden Analyse, wie kollaborativ sie jeweils unterwegs waren.
Dorothee Bär, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, sagte in ihrer Eröffnungsrede auf der Abschlusskonferenz: »Die Förderung von kooperativer und autonomer Mobilität ist eine der wichtigsten Aufgaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Die Digitalisierung birgt enorme Chancen für neue Mobilitätsformen und deren Vernetzung. Wir bemühen uns um die Grundlagen wie eine standardisierte Datenbereitstellung im Mobilitätsdatenmarktplatz und der mCLOUD. Heutzutage müssen Daten 24 Stunden und 7 Tage die Woche verfügbar sein, auch in Hochlastsituationen wie z. B. bei Unwettern oder Staus.
Auf dieser Grundlage können Anwendungen und Apps entwickelt werden. Diese Entwicklungen fördern wir mit dem mFUND. In der digitalen Mobilität sind wir im BMVI gut aufgestellt. Wir wollen Innovation in der Mobilität unterstützen.«
Alle TEAM-Anwendungen basieren auf einem kollaborativen Konzept. Im Fall der TEAM-Routenplanung bedeutet dies, dass die Bedürfnisse vieler Verkehrsteilnehmer ausbalanciert werden und für jeden eine individuelle Route für einen möglichst optimalen Gesamtverkehr vorgeschlagen wird. Der Fahrer oder die Fahrerin kann sich vor jeder Fahrt frei zwischen einer herkömmlichen oder kollaborativen Route entscheiden. Nehmen schon einige Fahrer einen Umweg von nur wenigen Minuten in Kauf, können sensible Stellen wie Schulen oder Altersheime aber auch der Stadtverkehr insgesamt entlastet werden. Neben den Anwendungen für die Verkehrsteilnehmer richten sich einige Apps an Verkehrsmanagementzentralen. Sie helfen zum Beispiel bei der kurzfristigen Freischaltung einer Busspur für LKW-Fahrer und ermöglichen die Echtzeit-Kommunikation in die betroffenen Fahrzeuge.
Dr. Ilja Radusch, TEAM-Gesamtkoordinator und Leiter des Geschäftsbereichs Smart Mobility am Fraunhofer FOKUS, erklärt: »Verkehrsteilnehmer sind gar nicht so egoistisch, wie man vielleicht denkt. Erste Akzeptanzstudien im Projekt haben gezeigt, dass Menschen gerne Gutes tun, wenn sie konkrete Handlungs-empfehlungen und positive Rückmeldung erhalten. Dabei scheint es unerheblich zu sein, ob es sich um Fahrten zur Arbeit oder in der Freizeit handelt. Jüngere Menschen motivieren die Bildung einer Community und die Einbettung in eine Spieleumgebung. Andere empfinden das anschließende Coaching als nützlich, bei dem sie für jede Fahrt eine Auswertung erhalten, wie kollaborativ ihre Fahrt war. TEAM schafft so ein größeres Bewusstsein darüber, wie mein persönliches Mobilitätsverhalten den Gesamtverkehr beeinflusst, ohne zu vergessen, dass man es manchmal doch sehr eilig hat.«
Die technische Basis für die Apps liefert eine verteilte Softwarearchitektur, die sowohl im Fahrzeug als auch in den verschiedenen europäischen Städten die Funktion eines Informationsbrokers übernimmt. Dieser sammelt je nach Bedarf temporär und dezentral die erforderlichen Informationen, z. B. zur Verkehrslage, zu Ampelschaltungen, zum Wetter oder über Großveranstaltungen auf einer dynamischen digitalen Straßenkarte. Auf dieser Datenbasis werden dann Empfehlungen erstellt und bei den Verkehrsteilnehmern im Fahrzeug oder auf dem Smartphone in Echtzeit angezeigt. Dafür nutzt das System bereits existierende Kommunikationsinfrastrukturen wie LTE, aber auch zukünftige wie die Fahrzeug-zu-X-Kommunikation oder 5G. Der Vorteil: Diese dynamische Karte ist sehr flexibel und funktioniert überall in Europa, egal wo das Fahrzeug gemeldet ist. Es können beliebige Daten verknüpft werden, ohne, dass eine zentrale Datenspeicherung notwendig ist. Die Softwarearchitektur ist offen, so dass in Zukunft auch andere App-Entwickler darauf zugreifen können.
Die Apps funktionieren herstellerübergreifend und über Ländergrenzen hinweg. Sie wurden im Rahmen einer EuroEcoChallenge quer durch Europa in folgenden Städten mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen implementiert: Berlin/ Deutschland, Turin und Trento/ Italien, Gothenburg/ Schweden, Athen und Trikala/ Griechenland sowie Tampere und Helsinki in Finnland.
In TEAM arbeiteten 29 Partner zusammen. Hierzu gehören Automobilhersteller, Informations- und Kommunikationsanbieter, Infrastrukturbetreiber sowie Forschungseinrichtungen. Das Projekt wurde von der EU im 7. Forschungs-rahmenprogramm mit 11,1 Mio. Euro gefördert und von EUCAR, dem europäischen Rat für Automobilforschung und -entwicklung, unterstützt.