Mit 5G-Campusnetzen auf dem Weg zum kabellosen Werksgelände
News vom 08. Nov. 2019
Ende Oktober hat die Bundesnetzagentur die Gebühren für Frequenzen im Bereich von 3,7 GHz bis 3,8 GHz für lokale Anwendungen veröffentlicht und damit den Grundstein für Campusnetze gelegt, also eigene Netze auf dem Werksgelände. Die technische Umsetzung solcher privaten Netze diskutierte Fraunhofer FOKUS mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft vom 6.-8. November 2019 auf dem Industrial IoT (IIoT) Forum sowie FOKUS FUSECO Forum (FFF) und stellte verschiedene 5G-Demonstrationen für die Fabrik der Zukunft vor.
In den letzten 50 Jahren wurden hauptsächlich drahtgebundene Industrienetzwerke genutzt, um den hohen Anforderungen hinsichtlich Sicherheit, Zuverlässigkeit und Echtzeitverhalten gerecht zu werden. Dies ändert sich seit den letzten Jahren: Die Industrie möchte von den Möglichkeiten der weltweiten, digitalen Vernetzung profitieren, um Kosten zu sparen oder neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Eine kabellose Kommunikation bietet außerdem eine größere Flexibilität innerhalb des Fabrikgeländes. Technisch wird dies durch die beginnende Konvergenz klassischer Betriebstechnologien mit modernen IuK-Ansätzen vorangetrieben. Auf der Netzwerkebene spielen hier insbesondere die IEEE Time-Sensitive Networking (TSN)-Standards und die 5G Ultra Reliable Low Latency Communications (uRLLC)-Spezifikationen im Release 16 der Standardisierungsorganisation 3GPP eine tragende Rolle. Gleichzeitig unterstützt die Bundesregierung durch die Vergabe von lokalen Frequenzen einen schnellen, sicheren und kostengünstigen Aufbau von 5G-Netzen auf dem Fabrikgelände entsprechend der individuellen Anforderungen.
Auf dem IIoT Forum und FFF demonstrierte Fraunhofer FOKUS mit Partnern die technischen Möglichkeiten von lokalen 5G-Campus- und TSN-Netzen am Beispiel von verschiedenen Industrieanwendungen. In vielen Demonstrationen wird der Open5GCore von Fraunhofer FOKUS als Software-basiertes Kernnetz genutzt. Im Kernnetz laufen die Steuerprogramme für die Kommunikation, wie die Authentifizierung und die Verbindung von Geräten und Diensten. Durch die Software-basierte Umsetzung können Netzfunktionen dynamisch zu einem individuellen, virtuellen Campusnetz kombiniert werden ─ je nach benötigter Latenzzeit, Sicherheitsstufe und Anzahl der zu vernetzenden Geräte. Auf dem FOKUS FUSECO Forum wurde die 5. Version der Software vorgestellt, die seit zwei Jahren von verschiedenen renommierten Akteuren aus der Industrie zum Aufbau von lokalen 5G-Testumgebungen lizensiert wird.
Demonstration: Qualitätssicherung in der Produktion
Zwei Industriekameras nehmen 15 Bilder pro Sekunde von einer Schraube auf. Die Videodaten werden mit einer Bandbreite von 16 Bit an einen Rechner übertragen, der in nahezu Echtzeit ein 3D-Objekt der Schraube erzeugt. Der digitale Zwilling kann für eine automatisierte Qualitätsprüfung genutzt, oder bei Unregelmäßigkeiten einem Inspekteur an einem anderen Standort zur Prüfung weitergeleitet werden sowie zur Qualitätsdokumentation dienen. Die Besucherinnen und Besucher können in die Rolle des Prüfers schlüpfen und das 3D-Modell von allen Seiten betrachten. Das lokale 5G-Netz sorgt für die schnelle Übertragung des hohen Datenvolumens.
Demonstration: Lokales Netz für die Fabrikhalle 4.0 (in Kooperation mit NetApp)
In der Demonstration wird eine Produktionsstraße einer Fabrik vorgestellt, die auf einem lokalen 5G-Campusnetz läuft. Die Fabrik wird in der Demonstration durch ein Fischertechnik-Modell dargestellt, auf welchem die Industrie 4.0-Wertschöpfungskette nachvollzogen werden kann. Ein digitaler Zwilling bildet den kompletten Prozess ab, dokumentiert ihn und sorgt so für höhere Qualitätsstandards. Rekonfigurationen einzelner Maschinen sind durch die flexible IT-Netzwerkanbindung möglich. Auch um den Anforderungen bezüglich Leistungsfähigkeit, Vertraulichkeit und Zuverlässigkeit gerecht zu werden, wird eine dedizierte 5G-Core-Installation auf einer hyperkonvergenten Infrastruktur (Hyper Converged Infrastructure) von Netapp betrieben.
Demonstration: Edge-basierte 5G-Kernnetze für die Robotersteuerung in Fabriken (in Kooperation mit der German Edge Cloud/ GEC)
Besucherinnen und Besucher können mit einer Virtual Reality (VR)-Brille und zwei VR-Controllern einen zweiarmigen Industrieroboter steuern, der an ein Edge-basiertes 5G-Kernnetz angebunden ist. Die Aufgabe ist es, eine vergrößerte Nachbildung der Rittal-Leiteranschlussklemme auf eine Schiene zu stecken und in die Klemme ein Kabel einzuführen und wieder zu trennen. Die Mobilfunkverbindung wird über eine 60 Ghz-Frequenz mit Smallcells umgesetzt, einer kleinen Funkzelle, die aus einer Basisstation mit Mobilfunk-Antenne besteht. Dies sorgt für eine ruckelfreie VR-Umgebung und eine nahezu verzögerungsfreie Roboterfernsteuerung. In Kombination mit Edge Computing, mit dem Daten direkt auf dem Produktionsgelände in Mikrorechenzentren verarbeitet werden können, ist so eine sichere, echtzeitfähige Kommunikation möglich.