Forschungsprojekt »Resozialisierung durch Digitalisierung«: Einsatz neuer Medien im Strafvollzug

01. Dez. 2016 bis 31. Dez. 2021

Aufgabe und Problemstellung


Digitale Bildungs- und Freizeitangebote unterstützen während der Haft die Resozialisierung. Dabei sind mobile Endgeräte wie Tablet und Smartphone aus dem heuten Lebens- und Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Um die digitale Kluft zwischen dem Leben in Haft und dem Leben nach der Entlassung zu überwinden, hatte die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung (SenJustVA) das Projekt »Resozialisierung durch Digitalisierung (ResoDigi)« ins Leben gerufen. Es untersuchte als deutschlandweit erstes Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren (2016 bis 2019), wie mobile Endgeräte einfach und sicher in den Gefängnisalltag eingebunden werden können und dabei Missbrauch ausgeschlossen werden kann. Der Betrieb lief zu Umsetzungszwecken bis zum 31.12.2021.

Im Forschungsprojekt kooperierten Fraunhofer FOKUS und das Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI) im Auftrag der SenJustVA. Sie befassten sich mit der prototypischen Einführung mobiler Endgeräte in einer Abteilung der Justizvollzugsanstalt Heidering.

Lösungsansatz und technische Umsetzung

Das übergreifende Ziel des Forschungsprojekts in der JVA Heidering war es, unter Beachtung der besonderen Sicherheitserfordernisse des Justizvollzuges, Gefangene und auch das betreuende Personal strukturiert an die Nutzung neuer Medien heranzuführen, Arbeits-abläufe in der Anstalt digital zu unterstützen und Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Inhaftierten zu ermöglichen. Die Resozialisierung sollte durch die Nutzung digitaler, medialer Dienste und Angebote gefördert werden; gleichzeitig sollten die digitalen Kompetenzen der Gefangen gestärkt werden. Die Informationsangebote waren darauf ausgelegt die »Hilfe zur Selbsthilfe zu stärken«, zudem sollten die speziell konfigurierten Tablets den digitalen Kontakt zu Hilfsorganisationen, Trägern, Arbeitsagenturen, Schuldnerberatungen oder Suchtberatungen erleichtern. Um Gefangen den Kontakt zu Familie und Angehörigen zu ermöglichen, wurde ein E-Mail-Programm auf den Tablets integriert, mit dem Textnachrichten gesendet und empfangen werden konnten.

Insgesamt waren rund 70 Tablets im Einsatz, die inhaftierten Personen den Haftalltag erleichterten, vor allem aber auf das digitale Leben nach der Entlassung vorbereitet haben.

Rund 30 freigegebene Internetseiten – darunter z.B. das Infoportal berlin.de oder die Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung – waren abrufbar. Über die Online-Leihe der Zentral- und Landesbibliothek Berlin war es zudem möglich, Bücher oder Filme digital auszuleihen. Die Gefangenen konnten direkt online über die Tablets Sportkurse in der JVA buchen.

Technisch wurden die Tablets in eine eigens aufgebaute WLAN- und Serverinfrastruktur eingebunden. Um einen Missbrauch der Geräte zu verhindern, hat Fraunhofer FOKUS die Funktionalität der Tablets eingeschränkt und diese speziell für den Einsatz in der JVA konfiguriert. Feste Regeln definierten den nutzbaren Funktionsumfang.

Das Projekt umfasste vier Phasen und adressierte verschiedene Entwicklungsstufen rund um die sichere, datenschutzkonforme Pilotnutzung der Tablets. Neben der Konzeption und Umsetzung einer Nutzungsumgebung mit Internet-Freischaltung wurde auch die Lernumgebung pädagogisch aufgebaut und durch eine nutzerfreundliche Oberfläche umgesetzt. Über den kompletten Projektprozess waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Inhaftierte der JVA eingebunden.

Ergebnisse des Projekts fließen in Regelbetrieb ein

Das Pilotprojekt zeigt, dass die Digitalisierung im Strafvollzug unter speziellen Sicherheitsanforderungen technisch und fachlich machbar ist. Die Ergebnisse werden nun in den Regelbetrieb überführt – auch in andere Berliner Haftanstalten. 

Die SenJustVA hat inzwischen im Rahmen eines europaweiten Vergabeprozesses einen Dienstleister gefunden, der flächendeckend ein digitales Haftraumsystem einführt, welches die im Projekt erarbeiteten Inhalte und Funktionen bereitstellt.