Das Kommunikationsnetz der Zukunft bekommt Unterstützung aus dem All

Am 6. November findet bei Fraunhofer FOKUS der »5th NTN Workshop: Towards a unified TN-NTN system« statt. Expertinnen und Experten der Satellitenkommunikation diskutieren den Stand der Konvergenz terrestrischer Netze (TN) mit nicht-terrestrischen Netzen (NTN). Das Thema ist hochaktuell: Erstmals wird NTN von Beginn des 6G-Standardisierungsprozesses an berücksichtigt. Dr. Marius Corici, stellvertretender Leiter des Geschäftsbereichs Software-based Networks, organisiert den Workshop gemeinsam mit der ESA und Eurescom und erklärt im Interview Nutzen und Funktionsweise dieses Supernetzes.

Portraitbild: Marius Corici, Fraunhofer FOKUS, stellv. Geschäftsbereichsleiter Software-based Networks
© Philipp Plum / Fraunhofer FOKUS

Herr Dr. Corici, was sind die Vorteile eines Netzes, das das herkömmliche Netz mit Satellitenkommunikation verbindet?

Die Integration der Satellitenkommunikation erweitert Abdeckung und Ausfallsicherheit des gesamten Kommunikationsnetzes. Sie ermöglicht zuverlässige Konnektivität in abgelegenen Regionen und für mobile Objekte wie Schiffe, Lkw, Flugzeuge und Drohnen. Bei Katastrophen – etwa bei beschädigten Unterseekabeln – bleibt die Kommunikation erhalten, indem das dedizierte Netz eines Betreibers oder ein privates Campusnetz global über Grenzen hinweg erweitert wird. So lassen sich Rettungsdienste weltweit in der betroffenen Region einbinden. Auf Basis digitaler Satelliten, die unterschiedlichen Einsatzzwecken dienen, kann das Netz zudem für anspruchsvolle Anwendungen wie die Erdbeobachtung für Such- und Rettungsaktionen genutzt werden.

Über die technischen Vorteile hinaus stärkt ein solches Netzwerk die digitale Souveränität. Politische Entscheidungsträger haben erkannt, dass eine robuste deutsche und europäische Kommunikationsinfrastruktur angesichts der globalen Lage unerlässlich ist, um Widerstandsfähigkeit und Sicherheit zu gewährleisten und eine vertrauenswürdige, beschleunigte Digitalisierung zu ermöglichen – zentrale Themen für eine effiziente Wirtschaft.

Was sind die Hauptthemen des Workshops?

Der Workshop adressiert die technische Vereinheitlichung für ein konvergentes TN-NTN-System. Die Aufgabe ist umfangreich: Frequenzbänder müssen koordiniert und gemeinsam genutzt werden, der Funkzugang muss über das Kernnetz lokal und global kontrolliert werden, und vor allem muss das Ende-zu-Ende-System über mehrere administrative Domänen und Betreiber hinweg funktionieren. Letzteres ist ein zentraler Forschungsschwerpunkt meiner Abteilung. Mit unseren softwarebasierten, flexiblen Kernnetzen Open5GCore und Open6GCore verbinden wir heterogene Komponenten. Unsere Kernnetze können dezentral betrieben werden, sind für TN und NTN ausgelegt und ermöglichen die gemeinsame Verwaltung beider Netze. Für Proof-of-Concepts bieten wir eine Ende-zu-Ende-Konfiguration – von der Basisstation und der Funkverbindung bis zum Endgerät und zur Anwendung. Integration ist jedoch nur ein Aspekt unserer Arbeit.

Welche Kompetenzen hat Fraunhofer FOKUS noch?

Wir forschen zu Handover-Prozessen zwischen verschiedenen Netzen und deren Auswirkungen auf das Kernnetz, zu systemübergreifenden Handovern zwischen TN und NTN, zu einheitlicher Authentifizierung sowie zur Sicherung der Quality of Service. Ein Wechsel von NTN zu TN ist z. B. bei starker Bewölkung oder in bewaldeten Gebieten nötig, wenn die Satellitenverbindung eingeschränkt ist. Zudem arbeiten wir an Ende-zu-Ende-Verbindungen über optische Kommunikationsnetze im All, um Backhaul über große Distanzen zu ermöglichen.

Was ist für die Umsetzung noch wichtig?

Neben Open5GCore und Open6GCore bieten wir mit OpenLANES eine lizenzierbare Software an – einen digitalen Zwilling für NTN-, TN- und konvergente TN-NTN-Systeme. Er ermöglicht eine »Fast-Forward«-Emulation, also eine exakte Nachbildung verschiedener Netzszenarien und Topologien, um Daten zu generieren und die Auswirkungen von Parameteränderungen – etwa eines Satellitenausfalls – auf das gesamte Netz zu validieren sowie als wichtiges Toolkit für KI-bezogene Forschung in Netzen zu dienen.

Wann steht dieses integrierte TN-NTN-Netz zur Verfügung?

Die Integration muss innerhalb der nächsten fünf Jahre abgeschlossen sein. Das Interesse von terrestrischen Betreibern, privaten Netzbetreibern und Anbietern von Anwendungsfällen ist groß. Ohne praktische Ende-zu-Ende-Validierung kann diese Euphorie jedoch schnell nachlassen. Wenn wir jetzt nicht handeln, Anwendungsfälle integrieren und unsere Zusagen einlösen, verliert die Satellitentechnologie an Zugkraft und droht den Konvergenz-Anschluss zu verpassen – wie es schon bei anderen Technologien passiert ist.

Die globalen Entwicklungen sind dynamisch. Europa ist gut positioniert und darf den Anschluss nicht verlieren. Wir erwarten, dass der Workshop ein klares Bild des aktuellen TN-NTN-Konvergenzstandes und der künftigen Ausrichtung zeichnet und idealerweise in einer koordinierten Roadmap für 5G-NTN mündet.

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