Ein disziplin-übergreifender Ansatz zur funktionalen Entwicklung mechatronischer Systeme
Automotive-Produkte sind geprägt von mechatronischen Komponenten. Die mechanischen Vorgänge werden von Software gesteuert, die auf elektronischen Bauteilen ablaufen. Immer komplexer werdende elektronische Produkte – wie Drive-By-Wire-Systeme – führen zum Einsatz unterschiedlichster Simulationswerkzeuge, um schon frühzeitig im Entwicklungsprozess Produkteigenschaften absichern zu können. Für die einzelnen Domänen – wie Mechanik, Elektronik und Software – werden eine Vielzahl spezieller Simulatoren eingesetzt. Erst eine Kopplung dieser Domänen ermöglicht eine frühzeitige Simulation der mechatronischen Komponente und kann so die Entwicklungszeiten und –kosten weiter zu reduzieren, trotz der kontinuierlich steigenden Anforderungen hinsichtlich Funktionalität und Qualität.
Der verstärkte Einsatz von Software bei Neuerungen in Funktionalität und Erstellung, hat auf die Produktion eine positive Kostenentwicklung. Daher werden verstärkt in der Produktentwicklung eine Vielzahl von computergestützten Entwicklungs- und Simulationswerkzeugen eingesetzt, um schon früh im Entwicklungsprozess zu testen, ob das spätere Produkt die gestellten Anforderungen erfüllt. Die verwendeten Werkzeuge decken jedoch jeweils nur einen Teil der mechatronischen Domänen ab und können so nur punktuell das Verhalten des späteren Produktes aufzeigen. Es besteht oft keine Möglichkeit Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Domänen durchgängig zu beschreiben und zu überprüfen. Dadurch können Risiken, Toleranzen, Fehlfunktionen erst in einem Prototyp der mechatronischen Komponente festgestellt werden. Bei einer möglichen virtuellen Integration der unterschiedlichen Domänen können genau diese Wechselwirkungen und das gesamte Zusammenspiel der mechatronischen Komponente untersucht und validiert werden.
Zur Integration virtueller (Teil-) Produkte hat sich in den letzten Jahren das Konzept des Digital Mock-Up (DMU) in der industriellen Praxis etabliert. Allerdings ist DMU heute weitgehend beschränkt auf die geometrische Integration und Analyse verschiedener Teilmodelle; es mangelt an Möglichkeiten der Integration von elektronischem, mechanischem und softwaretechnischem Verhalten und deren Wechselwirkung untereinander zur domainübergreifendem Analyse und Debugging. Die Industrie sucht derzeit nachdrücklich nach Softwarewerkzeugen und Methoden zur funktionalen Integration virtueller mechatronischer Produkte.
Der prinzipielle Lösungsansatz von FunctionalDMU liegt in einer Erweiterung von 3D-Konstruktionsprototypen (DMU) um Verhaltensmodelle, die in verschiedenen Modellierungssprachen für unterschiedliche Simulatoren existieren können. Die Kopplung dieser unterschiedlichen Verhaltensmodelle und ihrer Simulatoren erfordert technologisch ein Framework, das unterschiedliche Verhaltensmodelle in den entsprechenden Simulatoren, wie z.B. SimPack®, Dymola®, MATLAB/Simulink®, AdvanceMS®, Rhapsody® ausführt und den Datenaustausch zwischen diesen Simulatoren koordiniert, synchronisiert und darstellt. Zentraler Bestandteil des Frameworks ist die Kommunikationsinfrastruktur, ein Simulationsbus, über den alle Komponenten unter einander konsistente Ereignisse austauschen und alle beteiligten Simulatoren synchronisiert werden. Dieser domainunabhängige Simulationsbus realisiert den Austausch von Simulationsdaten und Interaktions- und Steuerbefehlen. Um spezifische Daten der Simulatoren in konsistente und einheitliche Daten umzusetzen werden Wrapper für die Simulatoren eingesetzt. Das FDMU-Framework wird durch weitere Komponenten und Dienste zur Visualisierung, Erstellung, Verwaltung, Datenmanagement, Aufnahme von Simulationsergebnissen komplettiert.
Lösung
- Entwicklung einer offenen Software-Plattform zur Integration und Simulation von Verhaltensmodellen aus den Domänen Mechanik, Elektronik und Software.
- Entwicklung einer interaktiven Visualisierungsumgebung (nach dem Vorbild von DMU) zur integrativen Darstellung von Simulationsergebnissen aus den unterschiedlichen Disziplinen sowie deren Wechselwirkungen und Effekte.
- Entwicklung einer Methodik für einen geplanten, strukturierten Einsatz von FDMU in Industrieunternehmen
Nutzen
- Funktionales Design Review komplexer Mechatronik wird möglich und aufwandstechnisch beherrschbar.
- Frühes Erkennen von Problemen im Zusammenspiel der mechatronischen Komponenten führt zur Verkürzung der Entwicklungszeit.
- Auswertung von (Parameter-)Studien, im Hinblick auf die Wechselwirkung zwischen mechatronischen Komponenten, ermöglicht domänenübergreifend besseren Produkte.
- Die Funktionalität wird frühzeitig und über Disziplinengrenzen hinweg erlebbar und kommunizierbar!
- Möglichkeit zur abteilungsübergreifenden Analyse anhand funktionaler Prototypen
- Frühe multidisziplinäre Integrationsunterstützung für ein mechatronischen Systems
- Nachweis der Funktionstüchtigkeit von geplanten Prüfaufbauten und –spezifikationen im Vorfeld der realen Prüfung
Drive-by-Wire-Systeme ermöglichen aktiven Eingriff in das Fahren und Steuern von Automobilen mittels Sensoren, mechatronischen Stellmotoren für Kraftübertragung und software-gesteuerter Bedienelemente mit den entsprechenden Anzeigeelementen. Für die Entwicklung und Erprobung dieser modernen Fahrerassistenzsysteme wird – bezüglich sich verändernder passiver Komponenten hin zu reaktiven Systemen – am Beispiel des Lane Departure Warning (LDW) gezeigt wie solche Systeme in einer virtuellen Welt mittels eines kooperativen Integrations- und Test-Framework aufzubauen und in der frühen Entwicklungsphase zu erproben sind. Im Demonstrationsaufbau sind unterschiedliche Simulatoren (PC-Rechner) für verteilte Berechnungen im Einsatz, die das Verhalten des Fahrzeugs simulieren: Ein Fahrsimulator zur Generierung von möglichst realistischen Fahrzeugdaten, Telelogic Rhapsody® zur Simulation der Automotive- Software im Steuergerät, MATLAB/Simulink® zur Berechnung und Simulation diverser Verhaltensmodelle und eine interaktive Visualisierung des Fahrercockpits. Durch die technische Kopplung dieser Verhaltensmodelle mit ihren Simulatoren und der Software kann die Position und das Verhalten des Fahrzeugs entsprechend der Fahrspur modellbasiert ermittelt und ausgewertet werden. Droht das Fahrzeug aus der Spur abzudriften, warnt die Automotive Software des LDW mittels visueller Information im Fahrer-Cockpit.